BMW F 900 GS im Test: Mehr als erleichtert

Seite 2: BMW F 900 GS

Inhaltsverzeichnis

Die Upside-down-Gabel von Showa mit 45 mm Durchmesser lässt sich komplett einstellen und verrichtet ihre Arbeit ausgesprochen gut. Selbst derbe Löcher in der Straße erschüttern kaum den Lenker. Das hintere Federbein von ZF Sachs ist in der Druckstufe per Schraubendreher verstellbar und sollte um einige Klicks erhöht werden, um ordentlich zu funktionieren, sonst kann es passieren, dass das Heck beim Überfahren von Bodenwellen in Schräglage leicht nachwippt. Nicht gefährlich, aber unangenehm. Die Vorspannung ist per Handrad einstellbar, allerdings nur mit einem aufsteckbaren Plastikwerkzeug aus dem Bordwerkzeug, ansonsten lässt sich das schwergängige Handrad kaum drehen. Den Versuch, das Heck für mehr Schräglagenfreiheit mittels erhöhter Vorspannung anzuheben, quittiert die BMW mit Nervosität. Also wieder zurück auf Grundeinstellung für Solo-Betrieb von 11 Klicks über Anschlag.

An unserer Testmaschine ist der Bridgestone Battlax A41 aufgezogen. Auf der Straße haftet er ausnehmend gut und flößt viel Vertrauen ein, auf losem Untergrund taugt er hingegen leider wenig, wie ich beim Abbiegen ins Gelände feststellen muss. Vorher habe ich den Modus "Enduro Pro" angewählt, der das ABS am Hinterrad deaktiviert und die Schlupfregelung lässt sich mit einem Knopf am linken Lenkerende ausschalten.

BMW F 900 GS im Test (6 Bilder)

Der in China bei Loncin gefertigte 895-cm3-Motor leistet 105 PS und ist bereits aus der F 900 R und F 900 XR bekannt. Der Quickshifter an unserer Testmaschine kostet Aufpreis.
(Bild: Ingo Gach)

Selbst auf eher harmlosen Schotterpisten sucht der Reifen immer wieder haltlos nach Grip, an anspruchsvolleres Gelände ist also gar nicht zu denken. Das ist umso ärgerlicher, da BMW anbietet, gegen Aufpreis von nur 50 Euro schon ab Werk adäquate Geländereifen aufzuziehen.

Dabei haben die Entwickler an viele nützliche Details für den Offroad-Einsatz gedacht, so verfügt die F 900 GS serienmäßig über Handprotektoren mit Metallbügeln, die bei einem Sturz vor abgebrochenen Handhebeln schützen. Über dem Fußbremshebel lässt sich eine zweite gezackte Spitze herunterklappen, so dass der Fahrer beim Stehendfahren seinen Stiefel nicht abwinkeln muss. Für den gezielten Einsatz der Hinterradbremse ist das von Vorteil. Der Heckrahmen ist angeschraubt und nicht verschweißt, so dass er im Falle des Verbiegens kostengünstig getauscht werden kann. Als nicht optimal für das Fahren im Stehen erweist sich der im Kniebereich etwas breite Tank.

Wieder zurück auf dem Asphalt geht es für einige Kilometer über die Autobahn. Auch wenn es nicht das eigentliche Revier einer Enduro ist, schlägt sich die F 900 GS hier beachtlich und erreicht 210 km/h. Dabei bietet der fast senkrechte stehende Windschild akzeptablen Schutz, nur am Helm machen sich Wirbel bemerkbar. Bei Kälte wärmt die serienmäßige, dreistufige Griffheizung die Hände. Die optionale Navihalterung ist über dem Display sehr gut im Blickfeld des Fahrers platziert. Im Durchschnitt genehmigt sich der Motor 4,5 Liter Benzin auf 100 km, was der F 900 GS eine Reichweite von 322 km beschert. Abstriche muss der Fahrer allerdings beim Komfort machen. Für lange Reisen ist die Bank zu schmal, nach einiger Zeit wird sie unbequem und ich ertappe mich dabei, weiter nach hinten zu rutschen, wo die Sitzbank breiter ist. Noch weniger Komfort genießt der Sozius, für ihn ist die vorhandene Fläche recht knapp bemessen.

Die F 900 ist die erste GS von BMW, an der keine Koffer befestig werden können. Am Heckrahmen sind keine Haltepunkte dafür vorgesehen und in der Zubehörliste tauchen erst gar keine Alu- oder Hartschalenkoffer auf. Selbst Gepäckrollen dürften auf der Sitzbank nicht zu verzurren sein, da die Fixpunkte für Spanngurte fehlen. Die einzige Lösung stellen kleine Soft-Satteltaschen von externen Anbietern dar, die wie bei Sportenduros über die Sitzbank geworfen werden. Ob das aber den gehobenen Ansprüchen der BMW-Kunden gerecht wird, ist fraglich. Natürlich ist die F 900 GS von BMW dafür entwickelt worden, um endlich wieder eine offroad-taugliche Enduro im Programm zu haben, doch in Deutschland darf fast nirgendwo legal längere Etappen im Gelände gefahren werden. Dafür müssen weite Anfahrtswege, meist ins Ausland, in Kauf genommen werden – und der Aufenthalt dort wird ohne Gepäck schwierig.

BMW erwartet für die F 900 GS einen Listenpreis von 13.750 Euro. Damit liegt sie im Vergleich zur Konkurrenz noch recht günstig, allerdings summiert sich der Preis unserer Testmaschine durch die Farbgebung "Sao Paulo Yellow" (235 Euro) und diverse Extras auf 15.395 Euro, plus das Navigationsgerät "Navi VI" (Test), das allerdings nicht mehr in der aktuellen Aufpreisliste auftaucht, stattdessen kann das "ConnectedRide Navigator" für 695 Euro geordert werden. Für Geländeenthusiasten empfiehlt sich zudem das "Enduro-Paket Pro" mit unter anderem höherwertigen Federelementen (ebenfalls von Showa und ZF Sachs) für 1560 Euro. Auch "Fahrmodi Pro" (175 Euro) ist interessant, weil sich dadurch unter anderem das Regelverhalten von ABS und Schlupfregelung feinjustieren lässt.

Die BMW F 900 GS ist die zurzeit beste BMW für Geländeeinsätze: leicht, wendig und mit einem adäquaten Fahrwerk gesegnet. Aber auch auf der Landstraße sorgt sie für viel Fahrspaß, für Tourenfreunde ist sie hingegen mangels Gepäckunterbringung und eingeschränktem Sitzkomfort nicht zu empfehlen.